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Kommentar: Trends in der Gesundheits-IT – Big Data und Deep Learning

Welche Chancen und Risiken bieten Big Data und Künstliche Intelligenz für die Medizin, insbesondere die Radiologie? Ein Kommentar von Digithurst Gründer und Geschäftsführer Rainer Kasan.

Big Data und Deep Learning gehören zu den eHealth-Trends. Was sich dahinter genau verbirgt und welchen Nutzen die Medizin daraus ziehen kann, erklärt Rainer Kasan, Inhaber und Geschäftsführer der Digithurst Bildverarbeitungssysteme GmbH & Co. KG sowie Gesellschafter der beiden Gesundheits-IT Unternehmen Telepaxx Medical Archiving GmbH und TopIT d.o.o.

Was ist Big Data?

Bei Big Data geht es darum, große medizinische Datenmengen zu speichern, zu bearbeiten und nach verwendbaren Mustern zur Krankheitserkennung zu durchsuchen. Daten sind heute im Wesentlichen durch die sogenannten „vier Vs“ gekeinnzeichnet: Volume (Menge), Velocity (Geschwindigkeit), Variety (Vielfalt) und Veracity (Vertrauenswürdigkeit). Die Datenmenge verdoppelt sich durch die fortschreitende Digitalisierung etwa alle zwei Jahre. Durch die Vernetzung der elektronischen Kommunikation müssen wir die einlaufenden Informationen immer schneller oder sogar in „Echtzeit“ aufnehmen und analysieren. Daten kommen in sehr vielfältiger Form vor wie z.B. als medizinische Bilder, Textdokumente wie Befunde oder Medikationspläne, HD-Videos, EKGs, Audio-Dateien etc. Bei Big Data Analysen muss die Datenqualität sichergestellt werden.

Datenschutz und Kausalität

Daten dürfen nicht heimlich erhoben werden, gewerblich genutzt oder ohne das Wissen der Nutzer an Dritte weitergegeben werden. Daher muss man zur Big Data Analyse auf anonyme Informationen zurückgreifen. Häufig werden jedoch pseudonyme Daten verwendet, welche unter Umständen durch die Kombination vieler, verwandter Datensätze Rückschlüsse auf die Person zulassen. Datenanalysten sind sich bewusst, dass zwei Ereignisse nicht zwingend Ursache und Wirkung sind, nur weil sie häufig zusammen auftreten. Daher bedeuten mehr Daten nicht gleich mehr Wissen. Aus diesem Grund geht der Trend in der Medizin wieder dahin, Daten durch kleinere Stichproben und andere Methoden auszuwerten, um die Zielgruppe zu verstehen. Aus Big Data muss daher zunächst Small Data und anschließend Smart Data werden.

Wie funktioniert Deep Learning?

Durch die immense Zunahme an unstrukturierten Daten, wie Bilder, Texte, Videos oder Sprache ist eine automatische Erkennung zum Auffinden von Mustern notwendig. Dabei hilft Deep Learning als Unterbereich des Machine Learning. Das geht mit zwei Methoden: Supervised und Unsupervised Learning. Beim Supervised Learning enthalten die vorliegenden Daten bereits eine „Markierung“ und kennen demnach bereits die „richtigen Antworten“. Probleme können bei der korrekten Kategorisierung dieser Daten entstehen wie z.B. Hirnblutung ja oder nein. Beim Unsupervised Learning sucht man versteckte Strukturen in nicht markierten Daten, welche man nach Gemeinsamkeiten (Clustering) gruppiert. Bei der Bildverarbeitung können so Strukturen von Hirnblutungen erkannt und diese Muster danach angewendet werden. In der Genomforschung wird Unsupervised Learning mit komprimierten Daten so eingesetzt, dass die Anzahl der Attribute gesenkt wird, indem Clusters zwischen den genetischen Eigenschaften gebildet werden.

Big Data in der Radiologie

Um Deep Learning in die Kliniken zu bringen, werden momentan mit vorkonfigurierter Hard- und Software kleine autonome Trainingssysteme aufgesetzt, die lernen, bestimmte diagnostische Fragestellungen zu beantworten. Das Ergebnis dieser Trainingsprozeduren ist ein datenschutzkonformer Classifier, der keine Rückschlüsse auf die aus ihm entstandenen Daten zulässt. Wenn diese Deep Learning Classifier im klinischen Alltag zur Diagnose von Krankheiten eingesetzt werden, müssen sie als Medizinprodukt zertifiziert werden. Dazu müssten die medizinischen Ergebnisse aus dem Deep Learning Prozess jedoch lückenlos nachvollziehbar sein, was momentan nicht der Fall ist. Dem Radiologen der Zukunft wird die Rolle eines „Information Brokers“ zukommen. Künstliche Intelligenz wird ihn von Routineaufgaben entlasten und dank eingebauter Zweitbefundung zur Qualitätssicherung beitragen, aber auch Zufallsbefunde finden. In Entwicklungs- und Schwellenländern könnten wenige Ärzte dank Künstlicher Intelligenz eine deutlich größere Menge an Untersuchungen befunden.

Fazit

Wir sind aber noch weit davon entfernt, dass Big Data und Künstliche Intelligenz seltene Krankheiten aufspüren und maßgeschneiderte Therapielösungen vorschlagen. Bis dahin müssen wir noch einige Probleme lösen: Korrelationen und Kausalitäten nicht verwechseln, Computerperformance und Verarbeitungsgeschwindigkeiten nicht über evidenzbasierte Ansätze stellen und personenbezogene Daten schützen sowie ethische und moralische Aspekte diskutieren. Doch schon jetzt macht Big Data Datenressourcen übersichtlich und ermöglicht fachgerechte Interpretationen. Vergleichsdaten können abgefragt und für die medizinische Analyse, Prophylaxe, Diagnose, Therapie oder Nachsorge genutzt werden. Big Data und Künstliche Intelligenz sind maßgebliche Faktoren auf dem Weg zur personalisierten und qualitativ besseren Medizin. In der Genomforschung, mit ihrem riesigen Datenaufkommen, sind Big Data Analysen längst nicht mehr wegzudenken. Sie bieten neue Chancen für viele Bereiche unserer Gesellschaft. Sei es beim Aufspüren von Wählerverhalten, beim Verstehen von Konsumverhalten, beim autonomen Fahren – und selbstverständlich auch in der Medizin.

 

Foto: ©pexels.com